Krisen kommen von Ungefähr. So müsste die erste Einsicht aus dem Vorherigen im Rückblick auf jene Prozesse lauten, die Träger von Krisen bzw. Schocks auf den Arbeitsmärkten oder den Waren- und Gütermärkten sind. In unserer Auffassung, dass wirtschaftliche Prozesse generell angetrieben sind durch Prozesse der Akkumulation von Privateigentum und diese in der Vorstellung von Fraktalen besser als klassische und neoklassische Theorien und damit auch prozessnäher die Vorgänge an den internationalen Finanzmärkten repräsentieren, sind Krisen nicht notwendigerweise Gleichgewichtsstörungen im gesamtwirtschaftlichen Kontext von Arbeit und Kapital.
Der grundlegende Irrtum von Keynes war, Eigentum als ein Vermögensgut zu bestimmen, dass in seiner Geldform erst zum Markt kommt und dort als „Prämie für den Verzicht auf Liquidität“ Grundlage für Kreditgewährung und Investion zur Verfügung steht. Der Markt steht so also dem Eigentümer gegenüber als die nun verfügende Instanz, also als Besitzer der Geldmittel, der nun seinerseits den Verfügungsvorteil besitzt und der die Aufgabe des Liquiditätsnutzen durch Zinsen abzugelten hat.
Der Markt, bzw. die Akteure, die nun über Geldmittel, also Liquidität verfügen, haben dem Vermögensgut seinen „Vorteil“ entzogen, der, ganz generell darin bestehen soll, dass ein Gut einen in sich, einen immanenten positiven Wert darstellt, dessen Dauerhaftigkeit als im Vermögen gebundenes Geld verstanden wird. Der Zins ist demnach der Betrag, den der Schuldner an den Gläubiger für die Aufgabe der Liquidität zahlen muss, um den immanenten Vorteil von Liquidität gegenüber gebundenem Geld wettzumachen.
Wir haben gezeigt, dass diese keynesianische Zinsformel, die „own-rate of interest“ oder der Eigenzins, die den Kern der keynesianischen volkswirtschaftlichen Ordnungs- und Gleichgewichtstheorie bildet, in ihren Voraussetzungen nicht zu halten ist.
Eine dieser Voraussetzungen ist, dass das Eigentum in Form von Produktionskapital, also Anlagen und Maschinen, was wir auch Realkapital genannt haben, und Gebrauchskapital, also Gebäude und Boden, einen „Bestand“ haben soll, einen immanenten Wert der Sache selbst. Wir haben allein schon durch einen Blick auf bilanztechnische Zuordnungen gesehen, dass Vermögen als Bestandsgüter nicht existieren.
Eine Unternehmensbilanz unterscheidet das Gesamtvermögen in Umlauf- und Anlagevermögen. Während das Umlaufvermögen nur kurzfristig im Unternehmen verbleibt, ist das Anlagevermögen langfristig angelegt. Zum klassischen Umlaufvermögen zählen beispielsweise Rohstoffe, Waren und Bankguthaben, während Maschinen, Firmen-PKW und Grundstücke zum Anlagevermögen gerechnet werden.
Ob ein Gegenstand ins Anlagevermögen oder ins Umlaufvermögen eingebucht wird, kann aber auch von den Intentionen des Managements abhängen. Eine Maschine etwa kann unter Umständen auch als Umlaufvermögen eingebucht werden. Das wichtige Unterscheidungsmerkmal ist die Intention der Unternehmensleitung: Soll die Maschine verkauft werden oder soll sie für eine längere Periode im Betrieb verbleiben? Das Anlagevermögen ist laut § 266 HGB auf der linken Seite der Bilanz, unter Aktiva abgebildet. Zum Anlagevermögen in der Bilanz zählen im wesentlichen: Immaterielle Vermögensgegenstände: Lizenzen, Patente etc.
Sachanlagen: Grundstücke, Maschinen, Fahrzeuge, Geschäftsausstattung sowie
Finanzanlagen: Anleihen, Wertpapiere etc.
Dieser kurze Blick auf die gängisten Bilanzpositionen macht schon deutlich, dass Vermögensgüter im wirtschaftlichen Kontext betrachtet, auf unterschiedlichste Arten und Weisen „unterwegs“ sind, keinenfalls aber „Bestandsgüterstatus“ haben. Das einzig wirkliche Bestandsgut wäre eine „Realkasse“, deren Veränderung als Veränderung des Vermögens gelten könne. Mit diesen Ansatz, Realkasseneffekt genannt, wiederspricht die Volkswirtschaftslehre dem von Keynes vertretenen Ansatz diametral.
Der Realkasseneffekt wird als ein Transmissionsmechanismus aufgefasst, der einen theoretischen Ansatz von den Einflüssen der Geldmenge auf die Preise in einer Volkswirtschaft innerhalb einer kurzen Periode beschreibt. Er definiert als ein Modell die direkte Wirkung monetärer Aggregate auf die Inflationsentwicklung eines Landes sowie die Beziehung zwischen Geldmenge und Preisniveau. Damit geht dieses Modell über das Dogma der Neutralität des Geldes sowie über die Dichotomie zwischen realem und monetärem Sektor der Ökonomie weit hinaus.
Demgemäß führt eine Erhöhung der Geldmenge zu einer Erhöhung der Nachfrage nach Konsumgütern wie ein Rückgang der Geldmenge zu einem Absinken der Nachfrage nach Konsumgütern führt. Eine Zunahme des Geldbestandes leitet beispielsweise einen positiven Nachfrageimpuls ein, der wiederum in einem Anstieg des Preisniveaus resultieren kann, der schließlich die reale Geldmenge reduziert. Dieser Prozess vollzieht sich solange, bis wieder ein Gleichgewicht zwischen der Geldmenge und dem Preisniveau vorherrscht.
Zu unterscheiden dabei ist, ob die Wirtschaftssubjekt sich in einer Phase sinkender oder steigender Preise befinden. Der Bezugspunkt zur konjunkturellen Gesamtlage ist also signifinkant. Geht man in diesem Modell von einer gegebenen Geldmenge aus, dann kann sich durch sinkenden Preise das reale Geldvermögen hypothetisch wie auch wahrnehmungspsychologisch erhöhen; man kann ja nun mehr mit der gleichen Transaktionskasse kaufen, so lautet die Nutzenkonsequenz.
Bemerken also die modellierten Wirtschaftssubjekte den Anstieg ihrer relalen Geldbestände, werden sie die Nachfrage nach Waren- und Gütern erhöhen, so die Folge dieser Annahme. Im sog. IS-LM-Modell verschieben sich die IS-Kurve durch die geringere Sparneigung und die LM-Kurve durch das real gestiegene Geldangebot nach rechts, Produktion und Einkommen steigen1.
Entsprechend umgekehrt sinkt das reale Geldvermögen bei steigendem Preisniveau und die Wirtschaftssubjekte schränken ihre Ausgaben ein, um wieder ihre reale Kassenhaltung zu erreichen. Im IS-LM-Modell verschieben sich die IS-Kurve wegen der höheren Sparneigung und die LM-Kurve wegen des gesunkenen realen Geldangebots nach links, Produktion und Einkommen sinken.
Dieses Modell einer Realkasse klingt simpel und wäre kaum einer theoretischen Betrachtung wert, wäre da nicht neben der theoretischen Beziehung zwischen Geldmenge und volkswirtschaftlichem Gesamteffekt der sog. Pigou-Effekt, der den Vermögenseffekt in Bezug zu Finanzmarkteffekten setzt. Der Pigue-Effekt ist vom Modell und dessen Wirkungsweise dem Realkasseneffekt ähnlich, aber in der Betonung des Finanzmarkteffektes richtungsweisender. Er besagt, dass bei einem rückläufigen Preisniveau für Halter von Staatsanleihen das Gefühl entsteht, wohlhabender zu sein, als sie sind und sie deshalb ihr Anleihevermögen nicht weiter oder weniger schnell ausbauen, also durch weiteres Anleihevermögen akkumulieren, und dagegen ihre Konsumausgaben erhöhen, was wiederum der Güternachfrage zugute kommt, mithin konjunkturbelebend im volkswirtschaftlichen Sinne wirkt.
Vergleicht man den Pigou-Effekt mit dem Keynes-Effekt, kommt man zu unterschiedlichen, kriterialen Betonungen eines in beiden Fällen recht mechanisch wirkenden Wirtschaftsprozesses. Betont der Pigou-Effekt die Wirkungskette von einem z.B. sinkenden Preisniveau aus, in dessen Folge es zu deflationären Prozessen kommt, die wiederum die Kaufkraft von Geld wie auch die Renditen von Staatsanleihen ansteigen lassen, woraus sich eine steigende Güternachfrage einstellen soll, so betont der Keynes-Effekt die Wirkungen der Marktzinsen auf die Investitionsnachfrage.
Sinkt das Preisniveau nach Keynes, steigt die Sparneigung, was wiederum den Marktzins sinken lässt und in der Folge die Investitionsnachfrage steigen. Bei steigendem Preisniveau geschieht entsprechendes in umgekehrt reziproker Varianz. Die Sparneigung sinkt, der Marktzins steigt und die Investionen gehen zurück.
Der Keynes-Effekt versucht also indirekt über den Marktzins auf dem Wertpapiermarkt über die Investitionsnachfrage auf die Güternachfrage wirkende Effekte zu beschreiben. Sein Modell beschreibt die bei sinkenden Preisen überhöhte Kassenhaltung2, deren Effekt also eine steigende Nachfrage nach Wertpapieren ist und die damit zu sinkenden Zinsen führt und somit die Investitionen zunehmen lassen.
Wir haben bereits dargelegt, dass die Prozesse auf den aggregierten Anleihemärkten durchaus davon verschieden sind. Steigen dort die Marktzinsen, dann steigen relativ zu den bestehenden Anleihevermögen die Renditen und zugleich fallen die Kurse, da ja ein Nachkauf nun von einem höheren Preisniveau aus geschieht.
Fallende Kurse auf den Anleihemärkten verhindern zwar fundamental Vermögensakkumulationen, führen aber deshalb nicht notwendigerweise zu sinkender Investitionsnachfrage, weil etwa dadurch den Waren- und Gütermärkten Nachfrage entzogen wird; im Gegenteil.
Es kommt, wie nun schon seit vielen Jahren evident ist, entweder zu direkter Liquidierung von Anleihevermögen in privatem Konsum oder zur Portfolioumschichtung von Anleihe- in Aktienvermögen, was die börsennotierten Unternehmen besonders, aber auch nicht börsennotierte Aktiengesellschaften mit zusätzlich Liquidität versorgt, die investiv genutzt werden kann.
Ebenso muss sich der Anleihemarkt auch bei fallenden Zinsen nicht signifikant schwächen, da Investorregularien dafür sorgen, dass institutionelle Investoren auch in solch einer Situation Anleihen guter Bonität kaufen.
Es verwundert wenig, wenn zu dem Keynes- und dem Pigou-Effekt sich nicht noch einer hinzugesellt hätte, der Patinkin-Effekt. Der ist ein erweiterter Realkasseneffekt, auch Realkassenhaltungseffekt genannt und betrachtet die Kassenhaltung unter Kriterien des Nutzen-, bzw. des Grenznutzenkonzepts. Darin betrachtet Patinkin ein Gleichgewicht zwischen dem Grenznutzen der Kassenhaltung und dem Grenznutzen zusätzlichen Konsums oder von Vermögensnanlagen.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Umlaufvermögen – Anlagevermögen – Realkasseneffekt – Geldmenge – Transaktionskasse – Pigou-Effekt – Keynes-Effekt – Patinkin-Effekt – Grenznutzenkonzept
1 IS-LM-Modell – Investment-Saving/Liquidity preference-Money supply. Die Idee zum IS-LM-Modell entstand auf einer Konferenz der Econometric Society in Oxford im September 1936, also bereits 8 Monate nach dem Erscheinen der Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes von John Maynard Keynes. John R. Hicks veröffentlichte sein Papier zu dieser Konferenz im April 1937 unter dem Titel Mr. Keynes and the „Classics“: A Suggested Interpretation. Der 1937 nach Harvard berufene Alvin Hansen trug ebenfalls zum IS-LM-Modell bei und es wurde als Hicks-Hansen-Synthese in den USA gelehrt und von Paul A. Samuelson 1948 in seinem Bestseller-Lehrbuch Economics: An Introductory Analysis popularisiert.
2 Die Kassenhaltung nach Keynes umfasst im wesentlichen die sog. Transaktions- und Spekulationskasse.
Arthur Cecil Pigou (* 18. November 1877 in Ryde, Isle of Wight; † 7. März 1959 in Cambridge)
Don Patinkin (*8. Januar 1922, Chicago, Illinois, Vereinigte Staaten † 7. August 1995, Jerusalem, Israel)
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