Nicht nur die Schwellenländer, auch Staaten Südeuropas stehen vor einer schweren Zeit mit hohen, währungspolitischen und wirtschaftlichen Risiken. Aber, als wäre das alles nicht längst bekannt, stürmt die Politik sehenden Auges auf den Abgrund zu. Ob Geschichte sich wiederholt ist nicht die Frage. Ob Geschichte sich genau so wiederholt wie einst schon eher. Aber die einzig wirkliche Frage, die wert ist, gestellt zu werden, ist, was und ob man etwas an den Veränderungen, die jede Geschichte, selbst wenn sie sich zu wiederholen scheint, mit sich führt, erkennen kann?
Was heute, Ende des Jahres 2018, auf den Geld- und Devisenmärkten passiert, kennen wir so ähnlich bereits aus dem Jahr 1981, als der damalige US-Präsiden R. Reagan sein Amt übernahm. Wie kürzlich D. Trump senkte auch Reagan die Höchstsätze der Körperschaftsteuer und die persönliche Einkommensteuer. Die eine erlaubte in beiden Zeiten eine extrem kurzfritsche Abschreibung von betrieblichen Ausrüstungsinvestitionen, und dies beileibe nicht nur auf geringwertige Abschreibungsgüter.
Unter dem Index: Stärkung der Angebotspolitik, was ja schon den massiven Eingriff in das „autonome“ Wirtschaftsgeschehen von Seiten der Politik semantisch illustriert, fanden sich dann schnell noch allseits bekannte und wiederholte politische Eingriffe in die Ökonomie der USA ein. Zuvörderst eine fast hemmungslose Deregulierung weiter Teile der Wirtschaft, vor allem im Banken- und Finanzbereich, bei Energie und mittels Handelsabkommen in die Import- bzw. Exportwirtschaft. Den größten Effekt bzw. Einfluss machte die damals wie heute beschlossene Steuersenkung erheblichen Ausmaßes.
Dabei ging die US-amerikanische Lehrmeinung von dem sog. Laffer-Effekt1 aus, wonach sich die Steuersenkungen durch einen von diesen ausgelösten Nachfrage-Boom refinanzieren; damals eine fromme Lehrmeinung, heute ein zerplatzter frommer Wunsch; um so mehr verwundert, dass Trump mit eben solch einer Argumentation vor der schweigenden Öffentlichkeit in dieser Angelegenheit bestehen kann.
Was bei Reagan herauskam, war aber alles andere als eine schöne Laffer-Kurve, war binnen zweier Legislaturperioden eine Verdoppelung der Defizitquote des US-Staates im Vergleich zu den zwei vorangehenden Perioden; in Summe um mehrere Hunderte Milliarden US-Dollar über dem Niveau, auf dem sie geklettert wäre, ohne fiskalische Brachialmethoden.
Was wohl von damals in Erinnerung blieb, war der wirtschaftliche Aufschwung von damals; alles andere wie die Staatsschulden wurden und werden verdrängt – ein sehr probater Mechanismus: einen Aspekt, dem alle Menschen zustimmen können, herausheben im Diskurs und alle anderen dadurch zu Schweigen bringen.
Trump tut es also Reagan gleich und wird zum Helden eines (schuldenfinanzierten) Aufschwungs, mehr will man, nicht hören, nicht lesen.
Aber da waren und sind die Nebenwirkungen und Kollateralschäden auf den weltweit vernetzten Finanz- und Devisenmärkten. Bedingt durch den Anstieg der kurz- und langfristigen Zinsen in den USA allein schon ergaben sich erhebliche Verwerfungen auf den Märkten, die auf der ganzen Welt viele Banken und ganze Volkswirtschaften, die sich in Dollar verschuldet haben, in Schwierigkeiten brachten und derzeit wieder bringen.
Mitte der Amtszeit von Reagan stiegen die Realzinsen für zehnjährige US-Staatspapiere rasant an. Lagen sie in den 1970er-Jahren meistens unter zwei Prozent, temporär sogar im negativ Bereich wie bis vor kurzem noch deutsche Staatsanleihen z.B., erreichten sie bereits 1982 einen Wert von sieben Prozent, der in den Folgejahren sogar noch übertroffen wurde.
Gleichzeitig und bedingt dadurch stieg der Dollar im Vergleich zu den meisten anderen Währungen der Welt wie dies auch heute wiederum geschieht.
Staaten, vor allem Schwellenländer, die in heimischer Währung bilanzieren, aber in Dollar verschuldet sind, verloren und verlieren in der Folge durch die Aufwertung ihrer Passiva, also ihrer Auslandschulden in Dollarwährung, plötzlich sehr viel Eigenkapital, was im Jahr 1982 Mexiko in den Konkurs trieb. Nicht viel später folgten Argentinien, Brasilien und Chile; heute ersetzt die Türkei mit erheblich größeren Auswirkungen Chile, die aber auch damals schon, wenn gleich weniger betroffen, beteiligt war; sonst, da capo.
Wie damals so sind auch heute viele Schwellenländer vor allem in Lateinamerika hoch in Dollar verschuldet und dem Konkurs mindestens nahe, wenn nicht schon mitten darin.
Gegen den US-amerikanischen Zinsanstieg ist auch Europa heute nicht gefeit und nur die Gemeinwährung Euro hat bislang verhindert, dass südeuropäische Staaten zu drastischen Abwertungen ihrer Währungen greifen mussten. Gleichwohl die Auswirkungen in Europa anders gelagert sind, steigt die Gefahr der Nicht-Refinanzierbarkeit der Staatsdefizite südeuropäischer Staaten, einschließlich der Türkei, bei einem Zinsanstieg im Euro- wie im türkischen Liraraum.
Wir sehen also Parallelen zwischen Reagan und Trump. So die erhebliche Senkung des Körperschaftsteuersatz von 35 auf 21 Prozent, die Abschreibungsmöglichkeiten der US-amerikanischen Wirtschaft auf Ausrüstungsgüter. Nehmen wir noch die aktuellen Effekte aus der Abschaffung der Steuern auf repatriierte Gewinne von US-Unternehmen hinzu, wobei hier die derzeit größten Unternehmen der Welt zu den Nutznießern zählen und das mittleiweile pyramidierte Staatsdefizit von knapp 2 Billionen US-Dollar binnen einer Zehnjahresfrist, dann sind zwei Prozesse, zwei Wellenlinien der Entwicklung bereits sichtbar.
Das US- Wirtschaftswachstum liegt derzeit bei immensen vier Prozent, was für eine entwickelte Industrienationen recht hoch ist. Das entsprechende europäische Wachstum beträgt dagegen weniger als die Häfte. Dies repräsentiert sich auch in der Wertdifferenz zwischen amerikanischen und deutschen Staatsanleihen, die am Beginn der derzeitigen Dekade fast bei Null lag, heute bereits ünber drei Prozent beträgt; bei einer Inflationsrate in Europa von deutlich noch unter zwei Prozent.
Neben dem Zinstrend hat sich auch ein Trend bei den Wechselkursen eingestellt. Der Dollat steigt, der Euro fällt. Dieser Trend wird wohl anhalten, da die EZB keine Möglichkeit hat, kurzfristig und nachhaltig die Zinsen auf den Euro zu erhöhen, während die Fed ordentlich an der Zinsschraube bereits vor zwei Jahren zu drehen begonnen hat, mit dem Ergebnis, das der Us-Notenbank-Zins bereits wieder über zwei Prozent liegt.
Wen ndie Dramatik dieser Entwicklung in Europa noch nicht angekommen ist, für die Schwellenländer wird der Währungsabgrund bereits sichtbar. Indonesien und Südafrika, Argentinien und die Türkei, beide bereits 1982 betroffen, und die genannten südeuropäischen Volkswirtschaften, deren Pleite noch „virtuell“ scheint, nach Maßgabe vorausschauender Anti-Defizitpolitik aber faktisch bereits eingetreten ist, sind wohl zu viel der Parallelen. Italien und Griechenland, aber auch Spanien und andere EU-Staaten könnten selbst minimale Zinsanstiege kaum verkraften. Was noch erschwerend hinzukommt: beginnen einmal die Finanzmärkte gegen diese Volkswirtschaften zu agieren, werden jene auf derart abschüssige Bahnen gesetzt, dass mit ordentlicher Beschleunigung eine Abwärtsspirale einsetzt, die verheerend sein dürfte.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
1 Die Laffer-Kurve spielte im Rahmen der Reaganomics und der Angebotsökonomik eine Rolle als Begründung dafür, dass durch Senkungen des Steuersatzes das Steueraufkommen und das Nationaleinkommen gesteigert werden können; die Realität hat dies widerlegt.
Arthur Betz Laffer Sr. (* 14. August 1940 in Youngstown)
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