Gewinnmaximierung

Unternehmen werden nicht l’art pour l’art gegründet. Ihrer Gründung liegt ein Zweck zugrunde, der sich nicht unbedingt mit dem Nutzen, der als ein Unternehmensziel formuliert sein kann, decken muss. Der Unternehmenszweck ist die Daseinsgrundlage und, solange sie mit einem Nutzen-für verbunden ist, auch dessen Daseinsberechtigung. Unternehmenszwecke gibt es wie Sand am Meer. Unternehmensziele in der öffentlichen Meinung wie in den volkswirtschaftlichen Grundseminaren nur noch eins, die Gewinnmaximierung.

Der zur liberalen Fraktion seines Fachs zugehörige Milton Friedman formulierte diese unternehmerische Maxime als das kardinale Handlungsprinzip eines Unternehmens, das nicht nur die Schaffung maximalen Gewinns adressiert, sondern auch und zugleich eine Verteilungsmaxime. Der Gewinn eines Unternehmens wird demnach an die Aktionäre ausgeschüttet, weil sie die Einzigen sind, denen gegenüber ein Unternehmen auch eine Verpflichtung hat. Dies sieht Friedman als die soziale Ebene eines Unternehmens.

Mit dieser fast schon als eine Doktrin formulierten Auffassung hat sich das, was einmal Unternehmensziel war auf die Seite des Unternehmenszwecks verschoben, insofern Gewinne an und für sich das sind, wonach ein Unternehmen zu streben hat, also Zweck des Unternehmens ist. Damit ist das sog. Shareholder-Prinzip formuliert, wonach der Zweck des Unternehmens darin liegt, denjenigen einen Anreiz und eine Art Belohnung dafür zu schaffen, dass sie das Kapital bereitstellen und damit ein Risiko in ein Investment in das Unternehmen eingehen.

Wenn also die Gewinnmaximierung bei Unternehmen zum obersten Prinzip erklärt wird, sind nicht nur andere Ziele schwer zu vermitteln, sondern gerät auch der Unternehmenszweck aus dem Blick.
Dies um so mehr, wenn die Erzielung von Gewinnen mit den kurzfristigen Zielen des Unternehmens in eins fällt. Denn nun stehen solche Unternehmen natürlich auch ganz zentral im Fokus von Investoren, die ihre Chance darin sehen, mehr Gewinne kurzfristig zu erzielen, vor allem solche Investoren, die, anders als die großen institutionellen zur Branche der „Private Equity“ zählen und Unternehmen oder Teile davon kaufen, um sie gewinnbringend weiter zu verkaufen, oder die als sog. „aktivistische Investoren“ sich in Unternehmen einkaufen, um dem Management hernach ihren Willen nach kurzfristigen Entscheidungen, die die Gewinne erhöhen, aufzuzwingen.

Ist der Unternehmenszweck einmal mit den Unternehmenszielen und diese mit der Gewinnmaximierung identisch, sind Beschäftigte, Lieferanten, Kunden, Umwelt oder Nachhaltigkeit im Sinne der generativen Fortführung des Unternehmens weniger als sekundär; sie zählen schlicht nicht mehr.
Noch nach der Finanzkrise 2008 prägten große institutionelle Investoren auf der Seite der Aktionäre das Geschehen über die Aufsichtsräte und andere Gremien bis hinein in die Unternehmensleitung, deren „Arbeitgeber“ letztlich die Pensionsfonds und Lebensversicherer waren. Sie waren an einer langfristigen Ausrichtung des Unternehmens orientiert, da etwa Pensionsfonds an sicheren und profitablen Investments über mehrere Jahrzehnte interssiert waren. So treue Investoren, die eine langfristige Erwirtschaftung von Gewinnen sichern helfen, weil sie die Ansprüche ihrer Kunden wiederum, die heute zu den Erwerbstätigen gehören und in zwanzig bis vierzig Jahren ihre Pensionen ausgezahlt haben wollen, findet man zahlenmäßig immer weniger.

Lediglich acht Prozent solcher Investoren z.B., die nicht auf Quartalsergbisse, sondern auf langfristig ausgerichtete Portfolios schauen, finden sich heute noch gegenüber 50 Prozent von vor zwanzig Jahren als Shareholder des britischen Börsenkapitals. An deren Stelle sind die aktivistischen Aktionäre getreten, die meist eher kleine Anteile halten und im Vergleich zu den Investoren traditioneller Prägung recht aggressiv auftreten, nicht einmal davor zurückschrecken, regelrechte Kampagnen gegen das Management zu fahren, sollte das nicht der Strategie der kurzfristigen Gewinnmaximierung folgen.

Sie halten gerade so viel Anteile, dass sie berecht sind, hohe Ausschüttungen zu fordern, manchmal mehr, als der Gewinn selbst hergibt. Sie lieben die Zerschlagung von Unternehmen in Teile, die hoch profitabel zu verkaufen sind, fühlen sich pudelwohl in waghalsigen Übernahmeschlachten – wir erinnern uns an die Mutter aller Übernahmeschlachten im laufenden Jahrhundert, Porsche gegen den eigenen Mutterkonzern VW – oder verfolgen radikale Portfoliobereinigungen.
Alles, was kurzfristig den Aktienkurs nach oben treiben oder Gewinne erzielen kann, steht da im Fokus. So wird das Friedman Paradigma heute umgesetzt. Und in dieser zahlenmäßig zunehmenden strukturellen Transformation des, über Börsennotierungen ausgeübten Transformationsprozess des Unternehmensmanagements, also der strategischen Ausrichtung wirtschaftlicher Entscheidungen, finden langfristig orientierte Manager immer weniger Unterstützung von ihren „Arbeitgebern“, ihren Aktionären. Dabei helfen natürlich üppige Vergütungen, zumal in Akltienoptionen des eigenen Unternehmens, und kompensieren so nicht nur die Entscheidungen, die das Management nicht selten contre coeur trifft. Der häufige Verlust von Ansehen bei Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, ja ganzer Öffentlichkeitsbereiche etc. den sich zudem nicht selten die Politik zu ihren eigenen Zwecken ausnutzt, wird dem Management likrativ gemacht. Ein Ruhestand in der Schweiz oder auf den Bahamas verspricht ein gutes Leben in der gebührenden Distanz.

Je mehr aktivistische Aktionäre die Spielregeln bestimmen, desto häufiger sieht man Unternehmen, sich frühzeitig in einer Art Selbstschutz vor deren Einflussnahme zu wappnen, indem sie von sich aus Unternehmen auf höhere Profitabilität trimmen durch Einsparungen aller Art, durch Stellenstreichungen, schnelleren Austausches des Managements bei Zielkonflikten, Erhöhung der Ausschüttungen an die Aktionäre bis hin zu sog. Equity Carve-outs und Spin-offs1. So schlägt das Management im besten Falle gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Private Equities tun sich schwerer und Großinvestoren, die nicht zu den institutionellen gehören, werden zusätzlich angezogen.

Analysten bewerten Mischkonzerne geringer als weniger stark diversifizierte Unternehmen. Am Kapitalmarkt gibt es zudem häufig eine Tendenz gegen Konglomerate zu beobachten, weil aus Sicht der Investoren in den Konglomeraten eine Separierung oder eine separate Notierung natürlich deswegen Sinn macht, weil institutionelle Investoren gerne ihre Portfolios selbst zusammenstellen bzw. diese Diversifizierung in unterschiedlichen Aktiengesellschaften gern selber vornehmen möchten, und auch nicht gerne bereit sind, in einem Konglomerat den Wert aller Einzelteile, der ja sehr unterschiedlich ausfallen kann, voll zu bezahlen.

Hinzu kommt ein enormer Druck seitens der großen Investoren, die in Zeiten niedriger Zinsen wie in den letzten zehn Jahren, lukrative Anlagemöglichkeiten für ihre Gelder um so intensiver suchen und sich dabei nicht auf alt bewährte Bilanzzahlen allein verlassen. Wenn auch der Unternehmenszweck, etwa Autos zu bauen, derselbe ist, sieht man doch intensiver darauf, welche Art von Autos und unter welchen Bedingungen diese in Zukunft gebaut werden.

Konglomerate tuen sich mittlerweile immer schwerer, ihren Unternehmenszweck genau zu bestimmen und durch die Konjunktur- bzw. Wirtschaftsphasen durchzuhalten. Dabei steht die Frage im Zentrum, welche Vorteile man in einem Konglomerat oder Mischkonzern erreichen kann. Kann man operative Synergien erzielen, wenn man z. B. auf derselben technischen Anlage zwei verschiedene Produkte herstellen kann? Gibt es zwischen unterschiedlichen Geschäften einen Know-how-Transfer? Kann man Geschäftsstrategien koordinieren wie etwa Bank- und Versicherungsgeschäfte in Allfinanzkonzernen? Kann eine Unternehmensleitung für zwei unterschiedliche aber mit einander verbundene Geschäftsfelder besser eingesetzt werden, als zwei Leitungen?

Derartige Fragen haben offensichtlich nichts mit kurzfristiger Gewinnmaximierung zu tun, vielmehr damit, ob und wie ein Unternehmen die an seinen Unternehmenszweck gebundenen Potenziale am besten ausschöpfen kann. Und besonders institutionelle Investoren machen zunehmend merh die Erfahrung, dass ihre Ausrichtung an kurzfristigen Gewinnen gerade die Unternehmen langfristig in Schwierigkeiten bringen kann und damit zugleich die eigene Rendite aus ihren Beteilungen gefährdet. Und ihre Bereitschaft sich auf eine der zahlreichen Desinvestitionsmethoden wie etwa Equity Carve-outs und Spin-offs sowie auf Unternehmensabspaltungen, bei denen entweder das Mutterunternehmen nicht börsennotiert ist oder das Tochterunternehmen ausserhalb der Börse veräussert wird, einzulassen, schwindet zunehmend.

Bis hierhin ist leicht zu erkennen, dass kurz- und langfristige Unternehmenstrategien sich teils radikal voneinander unterscheiden können. Kurzfristige Gewinnmaximierung und langfristige Sicherung der Profitabilität eines Unternehmens sind verschieden, aber nicht die einzigen Strategien. Die wichtige Frage, die sich aus diesem strategischen Unterschied, der ja eine konträre Art zu Wirtschaften und eine ebenso konträre Auffassung, zu welchem Zweck und zu welchen Zielen wirtschaftliches Handeln führen soll, ergibt, ist auf den ersten Blick so gar nicht im Rahmen volkswirtschaftlicher Theorien zu stellen. Sie führt weit darüber hinaus auf eine gesellschaftpolitische Ebene, die wir an dieser Stelle nicht umhin kommen, kurz anzureißen.

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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]

UnternehmenszweckShareholder-PrinzipGewinnmaximierung„aktivistische Investoren“institutionelle InvestorenEquity Carve-outs und Spin-offs


1 Unter einem Equity Carve-out (deutsch etwa: „Herausschnitzen von Eigenkapital“), teilweise auch Spin-out, versteht man eine Form der Desinvestition, bei der ein Konzern Anteile einer Tochtergesellschaft, z.B. im Zuge einer Neuemission (IPO, Initial Public Offering) über die Börse, veräußert.
Zu unterscheiden ist Equity Carve-out von einem Spin-off (teilweise auch Spin-out genannt) (deutsch: Aufspaltung oder Abspaltung), bei der die bestehenden Aktionäre Aktien an der Tochter „kostenlos“ zugeteilt bekommen; dabei werden die gesamten Anteile eines Tochterunternehmens an der Börse notiert.
Bei einem Equity Carve-out hingegen handelt es sich um einen Verkauf von Anteilen, bei dem in der Regel nur eine Minderheit der Anteile des Tochterunternehmens angeboten wird. Der Vorteil für die Muttergesellschaft besteht darin, dass sie die unternehmerische Kontrolle behalten kann und gleichzeitig die Erträge aus dem Börsengang vereinnahmen kann.
Nachteilig gegenüber anderen Finanzierungsformen ist, dass das Tochterunternehmen den strengen Kontroll- und Veröffentlichungsvorschriften einer börsennotierten Gesellschaft unterliegt. Außerdem kann die Muttergesellschaft die Besitzverhältnisse für die an den Börsen gehandelten Aktien nicht mehr kontrollieren.(Wikipedia)


Milton Friedman (* 31. Juli 1912 in Brooklyn, New York City; † 16. November 2006 in San Francisco)

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